„Ich hasse die scheiß Ausländer!“ Mit dieser Äußerung tat sich ein Arbeitnehmer im Betrieb hervor. Er erhielt – trotz 23-jähriger Betriebszugehörigkeit – die Kündigung. Und zwar die fristlose Kündigung. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg entschied: Das geht so in Ordnung (Ende März 2024 veröffentlichtes Urteil vom 17.11.2022, Az: 1 Sa 40/22).
Der Arbeitnehmer war am Empfang am Haupteingang tätig. Dort fiel die ausländerfeindliche Bemerkung, nachdem ihn eine ausländische Kollegin darüber informiert hatte, dass sich ein (ebenfalls ausländischer) Kollege verspäten wird. Als dieser schließlich eintraf, „begrüßte“ er ihn mit „Du bist spät dran, Du Arschloch.“ Als der Arbeitgeber hiervon erfuhr, kündigte er fristlos. Die von ihm erhobene Kündigungsschutzklage verlor der Arbeitnehmer.
Stichwort außerordentliche Kündigung
Ein Arbeitsverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. So regelt es § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Für Ihre Anhörung gilt dann Folgendes
- Erstens muss geprüft werden, ob der Sachverhalt „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund für eine Kündigung geeignet ist.
- Danach ist zu prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.
Nun nehmen Sie den Fall von hier: Ausländerbeschimpfung in Anwesenheit ausländischer Kollegen bzw. hier einer Kollegin. Beschimpfung des später eintreffenden Kollegen. Das Ganze in einem öffentlich zugänglichen Empfangsbereich des Unternehmens, bei dem nicht auszuschließen ist, dass auch andere (weitere Kolleginnen und Kollegen ebenso wie Geschäftspartner oder Kundinnen und Kunden) diese mitbekommen.
Die Fragestellung lautet dann:
„Liegen tatsächlich grobe Beleidigungen gegen Kolleginnen und/oder Kollegen vor?“
Klare Antwort: Ja.
„Sind diese durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt?“
Nein! Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt keine Formalbeleidigungen und Schmähungen – und schon gar keine Ausländerfeindlichkeit.
„Handelt es sich um eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung?“
Ja. Diskriminierung. Ausländerfeindlichkeit im öffentlichen Bereich. Grobe Beleidigungen.
„Ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar, sprich: Reicht eine Abmahnung?“
Nein. Die „Spielregeln“ im Unternehmen waren und sind allen Beschäftigten bekannt: Keine ausländerfeindlichen und/oder diskriminierenden Äußerungen. Deshalb kommt es im entschiedenen Fall auch nicht auf eine vorherige Abmahnung an. Der gekündigte Arbeitnehmer hätte unschwer erkennen können, dass sein Arbeitgeber derartige Beleidigungen unter Arbeitskollegen – noch dazu mit diskriminierendem Charakter – nicht duldet.
Fazit
Die Interessenabwägung ist im entschiedenen Fall klar zu Ungunsten des gekündigten Arbeitnehmers ausgefallen. Das Interesse des Arbeitgebers an der Lösung des Arbeitsverhältnisses – selbst unter Berücksichtigung der 23-jährigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers – wiegt stärker.
Stichwort Ausländerfeindlichkeit
Äußert sich ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz in ausländerfeindlicher Weise über einem Arbeitskollegen oder eine Arbeitskollegin, handelt es sich hierbei immer um einen schwerwiegenden Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten. So ein Vorfall ist auch nicht durch einen „rauen“ Umgangston zu rechtfertigen oder in anderer Weise zu bagatellisieren.
Sicherlich ist nicht immer gleich eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Doch eine klare Reaktion durch Ihren Arbeitgeber muss es geben.
Beispiel
Ihr Kollege Peter L. meint, über „Ausländer“ scherzen zu können. Immer wieder reißt er Witze über türkische oder polnische Arbeitskollegen. Die Reaktion der Arbeitskollegen: betretenes Schweigen. Zur Rede gestellt sagt Jörg K., das sei „doch nicht rassistisch gemeint“.
Folge: Hier muss Ihr Arbeitgeber in aller Deutlichkeit Einhalt gebieten. Und das heißt: Sofort abmahnen!
Im Wiederholungsfall ist dann auch bei so scheinbar „harmlosen“ Dingen der Weg zur verhaltensbedingten Kündigung frei. Ein Weg, den Ihr Arbeitgeber dann auch gehen muss. Das folgt schon aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber den in dieser Weise diskriminierten Kolleginnen und Kollegen (§ 12 Abs. 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)).
Und der Fall aus Hamburg zeigt es: Sind die rassistischen Äußerungen so extrem aggressiv, dass eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich ist, ist im Einzelfall eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich.