Es gibt Mitglieder des Betriebsrats, mit denen Arbeitgeber „besser“ können als mit anderen. Ob das immer positiv ist, sei mal dahingestellt. Doch nun stellen Sie sich folgende Situation einmal vor:
Als Betriebsrat liegen Sie mit Ihrem Arbeitgeber in einem arbeitsrechtlichen Streit. Vor Gericht kommt es zu einem Vergleich, mit dem die gegen Sie ausgesprochene fristlose Kündigung ebenso wie die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung mit Auslauffrist erledigt wird. In diesem Vergleich verpflichten Sie sich, Ihr Amt im Betriebsrat niederzulegen und auch nicht mehr für den Betriebsrat zu kandidieren. Doch als dann die Wahlen anstehen, überlegen Sie es sich anders – und kandidieren doch. Sie werden auch gewählt. Und dann?
Was dann passiert – mit dieser Frage hat sich am 23.8.2022 das Arbeitsgericht (ArbG) Neumünster auseinandergesetzt (Az: 3 Ca 191 a/21).
Arbeitgeber sprach erneute Kündigung aus
Für den Arbeitgeber im entschiedenen Fall jedenfalls war die Sache klar. Er sah in der Kandidatur und der Annahme des Amtes einen klaren Verstoß gegen die Vereinbarung. Er kündigte erneut. Das Vertrauen in diesen Beschäftigten sei unwiderruflich zerrüttet.
Sieg vor dem Arbeitsgericht
Das ArbG Neumünster kassierte die Kündigung. Der Arbeitnehmer hat nach Auffassung des Gerichts nicht schuldhaft gegen seine vertraglichen Verpflichtungen und Pflichten verstoßen. Natürlich durfte der Arbeitnehmer wieder für den Betriebsrat kandidieren. Denn eine Vereinbarung, wonach für alle Zukunft auf die Kandidatur als Betriebsrat verzichtet wird, ist unwirksam. Der Grund hierfür findet sich in § 8 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dort heißt es wörtlich:
„Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und sechs Monate dem Betrieb angehören oder als in Heimarbeit Beschäftigte in der Hauptsache für den Betrieb gearbeitet haben.“
Das Gesetz gibt damit keine weiteren Einschränkungen vor. Das bedeutet: Wer diese Voraussetzungen erfüllt, ist ohne Wenn und Aber wählbar. Eine individualrechtliche Abrede darf kein gesetzliches Recht brechen. Tut sie es doch, ist sie unwirksam – zumal mit einer solchen Vereinbarung ja auch die Wahlmöglichkeiten der Beschäftigten eingeschränkt würde. Ein weiterer, unangemessener Eingriff in die Prinzipien der Mitbestimmung.
Eine kluge und wichtige Entscheidung
Stellen Sie sich vor, Ihr Arbeitgeber könnte sich durch entsprechende Vergleiche vor Gericht seinen Wunschbetriebsrat ermöglichen – einfach, indem er mit allen ihm missliebigen Beschäftigten entsprechende Vereinbarungen trifft. Ein Unding, oder? Das sieht auch das ArbG Neumünster so.
Der Arbeitgeber hatte zwar noch argumentiert, dass es doch bitteschön nicht im Sinne der Belegschaft sein könne, wenn diese von einem Betriebsratsmitglied vertreten wird, „dass sowohl individual- als auch kollektivarbeitsrechtliche Pflichten missachte und verletze“. Doch auch dieses Argument ließ das Gericht nicht gelten: Es ist allein Sache der Beschäftigten zu entscheiden, von wem sie vertreten werden möchten oder nicht. Es steht dem Arbeitgeber nicht zu, eine irgendwie geartete „Vorauswahl“ zu treffen.
Meine Empfehlung
Arbeitsrechtler „empfehlen“ Arbeitgebern, aktiv bei der Gestaltung und Zusammensetzung des Betriebsrats mitzuwirken, um am Ende den „Wunschbetriebsrat“ zu bekommen. So sollen Arbeitgeber beispielsweise Beschäftigten eine „Karriere“ in Aussicht stellen, wenn diese für eine Amtszeit im Betriebsrat mitmischen „um das Schlimmste“ zu verhindern. Hintenrum wird dann „Werbung“ für Kandidatin oder den Kandidaten gemacht. In Gesprächen fallen dann Sätze wie:
„Also wenn der Herr Werner im Betriebsrat wäre, … dann könnte die Zusammenarbeit endlich wieder konstruktiv erfolgen …“ und ähnliches. Typische Wahlbeeinflussung also. Doch um es klar zu sagen: Ihrem Arbeitgeber ist es untersagt, Kandidatinnen und Kandidaten zur Betriebsratswahl zu bevorzugen oder zu benachteiligen (§ 20 Abs. 2 BetrVG).
Doch Achtung!
Das bedeutet nicht, dass Ihr Arbeitgeber bestimmte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zur Betriebsratsarbeit ermuntern darf.