Gerade noch hat der Bundestag trotz des Bruchs der „Ampel“ die Verlängerung des 49-Euro-Tickets beschlossen. Arbeitgeber können dieses Ticket, das 2025 zum „58-Euro-Ticket“ wird, damit auch weiterhin ihren Beschäftigen steuer- und sozialabgabenfrei zur Verfügung stellen. Was das mit der Überschrift zu diesem Beitrag zu tun hat? Mehr, als Sie jetzt vielleicht denken. Doch der Reihe nach:
Der Fall: Ein Arbeitnehmer klagte gegen seinen Arbeitgeber, weil dieser das bisher physische 49-Euro-Ticket durch ein rein digitales Ticket ersetzen wollte. Der Arbeitnehmer besitzt kein privates Smartphone und lehnt es ab, das dienstlich gestellte Smartphone auch privat für das digitale Ticket zu nutzen. Er verlangte daher entweder die Bereitstellung eines physischen Tickets oder eine Geldzahlung, um sich selbst ein Ticket zu besorgen. Da der Arbeitgeber nicht einlenkte, landete der Fall vor Gericht. Und hier kommt das Thema „Betriebsvereinbarung“ ins Spiel (Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg, 23.5.2024, Az: 1 Sa 30/23).
Die Entscheidung
Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, das Ticket nur digital bereitzustellen. Denn:
Mit dem Betriebsrat hat er eine Betriebsvereinbarung getroffen, die festlegt, dass das Ticketangebot an die Bedingungen des Großkundenabonnements gebunden ist, das der Arbeitgeber mit einem Dritten, also dem Anbieter des Tickets, abgeschlossen hat. Da der neue Anbieter ausschließlich digitale Tickets anbietet, braucht der Arbeitgeber auch nur solche Tickets zur Verfügung zu stellen. Zudem hatte der Betriebsrat der Umstellung ausdrücklich zugestimmt.
Das bedeutet das Urteil für Sie als Betriebsrat
Sobald Sie als Betriebsrat der Einführung einer neuen Regelung zustimmen und diese in einer Betriebsvereinbarung verankert ist, können individuelle Vorlieben von Arbeitnehmern nur eingeschränkt berücksichtigt werden.
1. Arbeitszeitregelungen
Eine Betriebsvereinbarung legt fest, dass Arbeitszeiten künftig ausschließlich elektronisch über ein Zeiterfassungssystem dokumentiert werden.
Folge: Ein Arbeitnehmer, der weiterhin handschriftliche Stundenzettel nutzen möchte, kann sich nicht auf seine individuelle Präferenz berufen. Die Betriebsvereinbarung hat Vorrang (§ 77 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)).
2. Dienstkleidung
Eine Betriebsvereinbarung bestimmt, dass alle Beschäftigten in einer bestimmten Abteilung einheitliche Dienstkleidung tragen müssen.
Folge: Ein Mitarbeiter, der dies aus persönlichen Gründen ablehnt, hat keinen Anspruch darauf, hiervon ausgenommen zu werden, sofern keine schwerwiegenden individuellen Gründe (z. B. gesundheitliche) entgegenstehen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.5.2024, Az: 3 SLa 224/24).
3. Urlaubsregelungen
In einer Betriebsvereinbarung wird festgelegt, dass Urlaub ausschließlich digital über ein bestimmtes Portal beantragt wird.
Folge: Arbeitnehmer, die keine E-Mails oder Portale nutzen möchten, können sich nicht auf eine „Papierlösung“ berufen, da die Betriebsvereinbarung verbindlich ist.
Kann eine Betriebsvereinbarung auch Vereinbarungen in Arbeitsverträgen unwirksam machen?
Ja, Betriebsvereinbarungen können individualvertragliche Regelungen verdrängen, wenn sie denselben Regelungsgegenstand betreffen und nicht zugunsten des Arbeitnehmers abweichen (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG).
Beispiel: Ein Arbeitsvertrag sieht eine zusätzliche Zulage für Überstunden vor, während eine Betriebsvereinbarung Überstunden nur durch Freizeit ausgleichen will. Die Regelung der Betriebsvereinbarung gilt, da sie einheitliche und verbindliche Regelungen im Betrieb schafft. Der Arbeitsvertrag wird in diesem Punkt „überschrieben“.
Einschränkungen: Betriebsvereinbarungen können aber keine Regelungen verdrängen, die im Arbeitsvertrag für den Arbeitnehmer günstiger sind (sogenanntes Günstigkeitsprinzip, Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 12.1.1999, Az: 1 AZR 573/98).
Wo Ihren Betriebsvereinbarungen Grenzen gesetzt sind
1. Rechte des Arbeitgebers und Gesetzesvorrang
Betriebsvereinbarungen dürfen nur Regelungen betreffen, die Ihrer Mitbestimmung unterliegen (§ 87 BetrVG). Themen wie Gehaltshöhen oder Kündigungsfristen können nicht durch Betriebsvereinbarungen geändert werden, da diese durch Gesetze und individuelle Arbeitsverträge geregelt sind.
2. Verstoß gegen höherrangiges Recht
Betriebsvereinbarungen dürfen keine gesetzlichen Vorschriften oder tarifvertragliche Regelungen verletzen (§ 77 Abs. 3 BetrVG).
Beispiel: Eine Betriebsvereinbarung, die weniger Urlaubstage vorsieht als das Bundesurlaubsgesetz wäre unwirksam.
3. Beachtung des Mitbestimmungsrahmens
Als Betriebsrat können Sie nur in den Bereichen mitbestimmen, die im Gesetz klar definiert sind (§ 87 BetrVG). Themen außerhalb dieses Rahmens, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (BAG, Beschluss vom 24.2.2015, Az: 1 ABR 45/13).