Aktuelles LAG-Urteil
Was sich beim Mutterschutz verändert hat – auch für Sie als Betriebsrat
Das Landesarbeitsgericht (LAG) München hat eine wichtige Entscheidung veröffentlicht, die für Sie als Betriebsrat von Bedeutung ist. Denn es entschied: Selbst wenn eine Beschäftigte ausdrücklich nicht möchte, dass der Arbeitgeber Sie über eine bestehende Schwangerschaft informiert, muss er Sie informieren – denn sonst können Sie Ihre Schutzpflichten nicht wahrnehmen (Urteil vom 27.9.2017, Az: 11 TaBV 36/17). Das Urteil kommt gerade richtig – denn zum 1.1.2018 kommen neue Pflichten auf Sie zu!
Mit dem neuen Urteil stellt das LAG München Ihre Schutzrechte (und Pflichten) über das Recht der informellen Selbstbestimmung der Beschäftigten – und das ist meiner Meinung nach auch richtig. Denken Sie nur an die Beschäftigungsverbote, die Ihr Arbeitgeber ohne Ihr Wissen um eine Schwangerschaft leicht umgehen könnte.
Beispiel:
• Während der gesamten Schwangerschaft (und auch später in der Stillzeit) dürfen Frauen unter 18 Jahren nicht länger als acht Stunden täglich / 80 Stunden in der Doppelwoche beschäftigt werden; bzw. Frauen, die älter als 18 Jahre sind, nicht länger als achteinhalb Stunden täglich / 90 Stunden in der Doppelwoche beschäftigt werden.
• Schwangere und stillende Frauen dürfen nicht zwischen 20 und 6 Uhr beschäftigt werden.
• Schwangere und stillende Frauen dürfen nicht an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden.
Stichtag 1.1.2018
Zum 1.1.2018 sind mehr Frauen als bisher vom Mutterschutzgesetz (MuSchG) erfasst! Bis 31.12.2017 sind nur Frauen erfasst, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausüben oder in Heimarbeit beschäftigt sind.
Ab dem1.1.2018 gilt der Mutterschutz für Frauen,
- die in einem Arbeitsverhältnis stehen,
- eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausüben oder in Heimarbeit beschäftigt sind,
UND - für Frauen in betrieblicher Berufsbildung,
- für Praktikantinnen i. S. d. § 26 Berufsbildungsgesetzes (BBiG) sowie
- für Schülerinnen und Studentinnen, soweit die jeweilige Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf von Ausbildungsveranstaltungen verpflichtend vorgibt,
- für die Teilnehmerinnen des Jugend- bzw. Bundesfreiwilligendienstes,
- für Frauen mit einer Behinderung, die in einer Behindertenwerkstatt beschäftigt sind und
- für Entwicklungshelferinnen.
Neue Prüfpflicht
Hier kommt demnach eine Prüfpflicht auf Sie zu: Gibt es in Ihrem Betrieb Frauen, die unter diesen erweiterten Anwendungsbereich fallen? Falls ja, dann informieren Sie sie über diese Neuregelung!
Achten Sie auch auf diese Punkte aus dem neuen Mutterschutzgesetz
Schwangere und stillende Frauen sollen gemäß § 10 MuSchG nicht mehr beschäftigt werden, wenn
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Der Betriebsarzt hat eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Wie gehen wir vor?
Frage: Der Betriebsarzt hat einer Kollegin eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Das war im Rahmen einer Routineuntersuchung. Wie geht das denn nun weiter? Was müssen wir als Betriebsrat tun?
ultimo!: Ich gehe einmal davon aus, dass die Arbeitnehmerin Sie als Betriebsrat informiert hat. Der Betriebsarzt darf es nicht. Er darf nicht einmal den Arbeitgeber informieren, sofern ihm nicht eine ausdrückliche Einwilligung der Arbeitnehmerin vorliegt.
Doch andererseits: Sie als Betriebsrat wissen nun über die Arbeitsunfähigkeit Bescheid – und sind im Rahmen des Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) in der Pflicht. Denn das ASiG gehört zum Arbeitsschutzrecht – und nach § 89 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) müssen Sie dessen Einhaltung überwachen.
Wenn der Betriebsarzt aber nur lediglich die betroffene Arbeitnehmerin informiert hat, hat er richtig gehandelt. Das muss er nämlich tun. Aber: Er kann Ihre Kollegin nicht krankschreiben, ihr also nicht die Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Andererseits sollte Ihre Kollegin aber nicht am Arbeitsplatz verbleiben, wenn das ihre Gesundheit gefährdet – oder sogar die Gesundheit ihrer Kolleginnen und Kollegen. Raten Sie Ihrer Kollegin also dringend, dass Sie schnellstens einen Hausarzt aufsucht und sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lässt.
Gegebenenfalls sollte Sie sich auch über Kuren oder andere Reha-Maßnahmen beraten lassen.
Wichtig! Sie schreiben von einer „Routineuntersuchung“. Betriebsärzte haben nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG die Pflicht, solche Routineuntersuchungen durchzuführen. Dabei treffen sie nach der Untersuchung des Beschäftigten eine arbeitsmedizinische Beurteilung, erfassen die Ergebnisse und werten diese aus. Anders sieht das bei arbeitsmedizinisch notwendigen und gesetzlich geforderten Untersuchungen aus, die ein Beschäftigungsverbot auslösen können. In diesem Fall darf Ihr Arbeitgeber umfassend informiert werden.
Vorsicht Falle!
Untersagt eine untersuchte Kollegin oder ein untersuchter Kollege dem Betriebsarzt das Untersuchungsergebnis bei gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen weiterzugeben, hat dies ein Beschäftigungsverbot an dem risikoträchtigen Arbeitsplatz zur Folge. Informieren Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der kommenden Betriebsversammlung über diese Sachverhalte, denn diese sind vielen Beschäftigten nicht bekannt.
Erfahren Sie, wie Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen bei Arbeitsunfähigkeit unterstützen!
Praxis-Knowhow
Betriebliches Eingliederungsmanagement: Einen Rechtsbeistand dürfen Betroffene nicht hinzuziehen, aber …
Wenn eine Ihrer Kolleginnen oder Kollegen innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt ist, muss nach der gesetzlichen Regelung in § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX das so genannte betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt werden. Zielgruppe dieser gesetzlichen Regelung sind – neben den schwerbehinderten Mitarbeiter – alle Mitarbeiter.
Zu diesem Personenkreis gehören also sowohl die
- langzeiterkrankten Beschäftigten, deren Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Wochen gedauert hat, als auch
- Beschäftigte mit häufigen Kurzzeit-Erkrankungen, deren Fehlzeiten in der Summe mehr als sechs Wochen in einem Jahr ausmachen.
Das BEM braucht Ihr Arbeitgeber nur dann durchzuführen, wenn die oder der Betroffene zustimmt. Das heißt, Ihr Arbeitgeber wird Betroffene zu einem entsprechenden Gespräch auffordern. Lehnt ein Beschäftigter dieses Gespräch ab, reagiert nicht oder lehnt während des Gesprächs das BEM ab, braucht Ihr Arbeitgeber nichts weiter zu unternehmen.
Angesichts der Tragweite eines solchen Gesprächs ist es nur zu verständlich, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier möglicherweise einen Rechtsbeistand hinzuziehen möchten. So wie in einem jetzt vom Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall (Urteil vom 18.12.2014, Az: 5 Sa 518/14).
Eine Arbeitnehmerin ist seit dem 14.4.2013 ununterbrochen krankgeschrieben. Der Arbeitgeber lud sie zu einem BEM-Gespräch ein. Von seiner Seite aus sollten die zuständige Personalsachbearbeiterin sowie die Vorgesetzte der Arbeitnehmerin teilnehmen. Außerdem sollten mit Zustimmung der Arbeitnehmerin ein Mitglied des Betriebsrats und ggfs. die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden.
Mit der Durchführung des BEM war die Arbeitnehmerin einverstanden, verlangte jedoch, zu diesem Gespräch einen Anwalt mitbringen zu können. Das lehnte der Arbeitgeber ab. Sowohl das Arbeitsgericht wie jetzt auch das Landesarbeitsgericht gaben dem Arbeitgeber Recht. Begründung:
Wer an einem solchen Gespräch zwingend und potentiell zu beteiligen ist, ist in § 84 Abs. 2 SGB IX abschließend geregelt. Dass ein Arbeitnehmer einen Rechtsbeistand zu einem solchen Gespräch mitbringt, ist nicht vorgesehen.
Ohne Sie geht es nicht
Wenn schon kein Anwalt – dann aber auf jeden Fall Sie als Betriebsrat. Weisen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen darauf hin, dass es ihnen ausdrücklich gestattet ist, zu einem solchen Gespräch ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Weisen Sie darauf hin, dass Sie als Betriebsrat beim BEM vom Arbeitgeber sowieso zwingend hinzuzuziehen sind und die Interessen des Beschäftigten umso besser vertreten können, je enger er sie einbindet.
Nach dem Wortlaut von § 84 Abs. 2 SGB IX können Sie als Betriebsrat auch von sich aus die Durchführung des BEM verlangen und müssen zudem darüber wachen, dass Ihr Arbeitgeber seine Verpflichtungen erfüllt. Kommt Ihr Arbeitgeber Ihrer Forderung nicht nach, können Sie dies über das Arbeitsgericht erzwingen. Ihr Arbeitgeber kann übrigens ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht einseitig festlegen.
Tipp: Ein BEM hilft, betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Bringen Sie – je nach Fall – folgende Möglichkeiten ins Spiel und machen Sie auch den Betroffenen, dass ein „Ja“ zum BEM dem Arbeitgeber den Weg zu einer krankheitsbedingten Kündigung deutlich erschwert.
Hilfe, die funktioniert
Medizinische Leistungen, beispielsweise durch Heilkuren, Rehabilitationsmaßnahmen, Anwendung einer anderen Heilbehandlung oder psychotherapeutischen Behandlung.
Ergonomische Maßnahmen, beispielsweise durch
- Veränderungen des Arbeitsplatzes, Verbesserung der Körperhaltung, Körperfortbewegung oder der Umwelteinflüsse,
- Arbeitssicherheitsmaßnahmen,
- Beseitigung von Störfaktoren wie Lärm, Nässe, Rauch, Staub oder Hitze.
Arbeitsorganisatorische Maßnahmen, beispielsweise durch
- Verringerung der Arbeitszeiten,
- Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz mit geringeren körperlichen oder geistigen Anforderungen oder ohne Schichtarbeit,
- Umsetzung in eine mobbingfreie Abteilung oder Gruppe,
- Qualifizierung auf einen anderen Arbeitsplatz,
- Hinwendung zu einer altersangepassten Arbeitsorganisation.
Soziale Maßnahmen, beispielsweise durch
- Hilfsangebote bei Problemen in der Familie oder finanziellen Problemen.
- Leistungen zur Teilhabe, § 33 SGB IX, oder
- begleitende Hilfen im Arbeitsleben, § 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, in Anspruch nehmen will.