Bewerbungsverfahren 2015
Mit dieser Betriebsvereinbarung sorgen Sie für diskriminierungsfreies Handeln
So mancher Arbeitgeber denkt sich: „Bewerbungen bearbeite ich auch ohne meinen Betriebsrat“. Weit gefehlt. Denn natürlich haben Sie als Betriebsrat eine ganze Reihe von Mitbestimmungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Und nicht zuletzt haben Sie als Betriebsrat beim Bewerbungsverfahren selbst darauf zu achten, dass Gesetze nicht verletzt werden. Insbesondere kommt hier das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ins Spiel.
Diese Rechte aus dem BetrVG haben Sie als Betriebsrat
Eines vorweg: Zum Bewerbungsverfahren gehört nicht bloß das Führen von Bewerbergesprächen. Ein Arbeitgeber, der so argumentiert, liegt falsch. Denn das Bewerbungsverfahren fängt viel früher an und endet erst mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags. Sie bestimmen mit bei
- Personalplanung (§ 92 BetrVG) Sie haben ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht.
- Ausschreibung von Arbeitsplätzen (§ 93 BetrVG) Sie können verlangen, dass vor einer externen Ausschreibung Arbeitsplätze intern ausgeschrieben werden
- Auswahlrichtlinien für Einstellungen (§ 95 BetrVG) In Betrieben mit 500 Beschäftigten können Sie die Aufstellung einer Richtlinie verlangen und ggfs. Eine Einigungsstelle erzwingen
- Bewerbungsunterlagen (§ 99 BetrVG) Ihr Arbeitgeber muss Ihnen im Bewerbungsverfahren alle für Ihre Entscheidungsfindung erforderlichen Unterlagen vorlegen
- Personalfragebögen (§ 94 BetrVG) Sie haben ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht
- Einstellung (§ 99 BetrVG) Sie haben ein Mitbestimmungsrecht in Form eines Zustimmungsverweigerungsrechts
AGG im Blick
Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG ausgeschrieben werden. Das heißt im Klartext: die Ausschreibung Ihres Arbeitgebers darf keine unzulässige Benachteiligung oder Diskriminierung enthalten.
Beispiel: Neue Teamassistentin gesucht
Ihr Arbeitgeber sucht eine neue Teamassistentin. In der internen Stellenbeschreibung hat er folgende Formulierung verwandt: „Gesucht wird eine Person zwischen 25 und 30 Jahren“.
Folge: Eine klare Benachteiligung älterer Mitarbeiter. In einem solchen Fall müssen Sie als Betriebsrat Ihren Arbeitgeber sofort auf das AGG verweisen und einen Verstoß gegen dieses Gesetz reklamieren. Denn: Wenn die Stellenausschreibung Diskriminierungen enthält, berechtigt Sie dies als Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung – von möglichen Schadenersatzforderungen abgelehnter Bewerber an Ihren Arbeitgeber ganz zu schweigen.
Wichtig: Altersgrenzen haben in Stellenausschreibungen nichts zu suchen! Das gilt sowohl für konkrete Altersangaben oder -begrenzungen als auch für Formulierungen wie
- „jung und dynamisch“ oder
- „für unser junges und dynamisches Team“ oder
- „langjährige Erfahrung“.
Beispiel: „Mehrjährige einschlägige Berufserfahrung“ gewünscht
Ihr Arbeitgeber sucht eine Nachwuchskraft für den Vertrieb, allerdings mit mehrjähriger Berufserfahrung. In einem solchen Fall ist ein Zusatz, beispielsweise in Form der Formulierung „fünfjährige einschlägige Berufserfahrung“, erlaubt.
Wichtig: Generell sollte Ihr Arbeitgeber in seinen Stellenanzeigen auf Hinweise in Bezug auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber verzichten. Hierdurch können sich behinderte Bewerber ausgegrenzt fühlen. Das aber kann nicht in Ihrem Sinne als Betriebsrat sein.
„Deutsche Mitarbeiter“ – wer so sucht, diskriminiert
Schneller als so mancher Arbeitgeber denkt, kann er auch gegen das Diskriminierungsmerkmal Rasse und ethnische Herkunft verstoßen – wenn Sie als Betriebsrat nicht einschreiten.
Wichtig: Grundsätzlich haben bei Stellenausschreibungen Hinweise darauf, dass Ihr Arbeitgeber zum Beispiel einen „deutschstämmigen“ oder einen „türkischen“ Mitarbeiter sucht, zu unterbleiben.
So können Sie bei Verstößen gegen das AGG reagieren
Sie haben die Möglichkeit, bei Gericht einen Unterlassungsanspruch gegen Ihren Arbeitgeber geltend zu machen, wenn er in grober Weise gegen seine Pflichten aus dem AGG verstößt (§ 17 Abs. 2 AGG i.V.m. § 23 Abs. 3 BetrVG). Auch „Deutsch als Muttersprachler“ ist ein absolutes Tabu. Verlangen Sie in diesem Fall sofort eine Korrektur der Ausschreibung – oder machen Sie im Fall der Fälle von Ihrem Zustimmungsverweigerungsrecht Gebrauch, falls Ihr Arbeitgeber nicht nachgibt und Sie auch nicht den Weg vor das Gericht wählen möchten.
Wann Sie als Betriebsrat die Zustimmung zu einer Einstellung ebenfalls verweigern dürfen
Sie können die Zustimmung zur Einstellung eines Bewerbers nicht nur dann verweigern, wenn Ihr Arbeitgeber gegen das AGG verstößt, sondern auch dann, wenn er gegen andere Gesetze oder eine mit Ihnen geschlossene Betriebsvereinbarung verstößt (§ 99 Abs. 2 Nr. 1). Und auch dann, wenn
- die Maßnahme gegen eine Auswahlrichtlinie gemäß § 95 BetrVG verstößt (§ 99 Abs. 2 Nr. 2) oder
- eine gemäß § 93 BetrVG erforderliche betriebsinterne Ausschreibung unterblieben ist (§ 99 Abs. 2 Nr. 5).
- gegen die in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung vereinbarten Ausschreibungsgrundsätze verstoßen wurden,
- in öffentlichen Stellenanzeigen geringere Anforderungen gestellt wurden als in den innerbetrieblichen Ausschreibungen oder
- eine verlangte innerbetriebliche Ausschreibung zwar nicht unterlassen, aber durch Desinformation versucht wurde, interne Interessenten von einer Bewerbung abzuhalten (BAG, Beschluss vom 10.3.2009, Az: 1 ABR 93/07).
Ihre Rechte bei innerbetrieblichen Ausschreibungen
Haben Sie verlangt, dass Stellen zunächst innerbetrieblich ausgeschrieben werden, muss die innerbetriebliche Ausschreibung klar aufzeigen
- um welchen Arbeitsplatz es sich handelt und
- welche Anforderungen ein Bewerber erfüllen muss.
Wichtig: Außerdem muss die Bekanntmachung so erfolgen, dass alle als Bewerber in Betracht kommenden Mitarbeiter Gelegenheit haben, die Ausschreibung rechtzeitig zu lesen (Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 17.6.2008, Az: 1 ABR 20/07). In Betracht kommt etwa die Bekanntmachung durch Aushang am Schwarzen Brett, durch Aufnahme in eine Betriebszeitung, durch Veröffentlichung im Intranet oder durch Rundschreiben per E-Mail.
Wie lange muss die Ausschreibung erfolgen?
Hierzu gibt es keine gesetzliche Regelung, wohl aber ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Demnach reicht ein Ausschreibungsraum von zwei Wochen aus (BAG, Beschluss vom 6.10.2014, Az: 7 ABR 18/09).
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Gleichbehandlungsanspruch
Überstunden während Teilzeitarbeit stellen keine Diskriminierung dar
Ein Arbeitnehmer wurde als Flugbegleiter beschäftigt. Ab Februar 2012 vereinbarte er mit seinem Arbeitgeber die Reduzierung seiner Arbeitszeit auf 75 Prozent. Bis einschließlich März 2013 sah das im Unternehmen angewandte Arbeitszeitmodell eine Arbeitsleistung von 195 Tagen bei 75 Prozent vor. Dies entsprach gegenüber einer Vollzeittätigkeit jedoch 80,25 Prozent. Ab April 2013 passte der Arbeitgeber das Modell an und sagte Freizeitausgleich für die zu viel geleisteten Tage im Jahr 2013 zu. Das reichte dem Arbeitnehmer jedoch noch nicht aus. Er fühlte sich gegenüber den Vollzeitbeschäftigten diskriminiert. Er verlangte finanziellen Ausgleich für die zu viel geleisteten Arbeitstage im Jahr 2012, hilfsweise bezahlte Freistellung.
Das Urteil
Beim Arbeitsgericht (ArbG) Cottbus hatte er jedoch keinen Erfolg. Sofern der Arbeitnehmer die Mehrarbeit behauptet, sei er dafür darlegungs- und beweispflichtig und müsse für jeden Tag gesondert seine konkreten Überstunden vortragen. Da er dies vorliegend nicht getan habe, könne auch keine Diskriminierung eines Teilzeitbeschäftigten angenommen werden (ArbG Cottbus, Urteil vom 17.10.2013, Az: 3 Ca 738/13).
So gehen Sie vor: Vermeiden Sie Diskriminierungen
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Einem Teilzeitbeschäftigten muss das Arbeitsentgelt mindestens in dem Umfang gewährt werden, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten entspricht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG).
Diese Ansprüche haben auch Teilzeitkräfte
Teilzeitkräfte können neben der Vergütung mindestens entsprechend dem Anteil an der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft vor allem Gleichbehandlung bei folgenden Leistungen verlangen: • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 1 EFZG • Feiertagsvergütung, wenn der Feiertag auf einen Tag fällt, an dem die Teilzeitkraft gearbeitet hätte • Nachtarbeits-, Sonn- und Feiertagszuschläge • zeitanteiliges Urlaubsgeld • Urlaubsgewährung (entsprechend der Anzahl der Wochenarbeitstage).
Altersdiskriminierung
Kein Mehr-Anspruch für Jüngere bei diskriminierender Betriebsvereinbarung
Mehrfach hat sich das BAG in diesem Jahr mit dem Thema Altersdiskriminierung beschäftigt. So hat es beispielsweise entschieden, dass Sie mit dem Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung festlegen dürfen, dass Beschäftigte, die nahe am Renteneintrittsalter stehen, eine niedrigere Sozialplanabfindung erhalten als solche, die noch länger am Arbeitsleben teilhaben (Urteil vom 26.3.2013, Az: 1 AZR 813/11). Wenig später hat sich das BAG aber noch einmal mit dem Thema „Altersdiskriminierung in einer Betriebsvereinbarung“ beschäftigt.
Das jetzt veröffentlichte Urteil vom 14.5.2013 (Az: 1 AZR 44/12) beschäftigt sich mit der Dienstplangestaltung, die Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung festgelegt hat. Sie sah vor, dass ältere Arbeitnehmer länger frei haben als jüngere. Diskriminierend, entschied ein Gericht. Doch nun forderten die Jüngeren nicht etwa nur, dass die Regelung abgestellt wird – vielmehr wollten sie ebenfalls mehr Freizeit haben. Doch dem schob das BAG einen Riegel vor und entschied: Selbst dann, wenn eine Betriebsvereinbarung über die Grundsätze der Dienstplangestaltung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt, haben die benachteiligten (jüngeren) Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, künftig ebenso wie die begünstigten (älteren) Arbeitnehmer behandelt zu werden. Sie bekommen also nicht mehr Frei-Tage. Aber: Den betroffenen Arbeitnehmern steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn Sie mit dem Arbeitgeber nicht umgehend die diskriminierenden Regelungen beheben. Und das heißt in diesem Fall: weniger Freizeit für die Älteren – nicht mehr Freizeit für die Jüngeren.
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