Kurzarbeit, unbezahlte Freistellung, um die Kinder zu Hause betreuen zu können, Altschulden … Die Corona-Krise hat die finanzielle Situation für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschärft. Doch wenn Ihrem Arbeitgeber nun vermehrt Lohnpfändungen für einige seiner Beschäftigten ins Haus flattern, ist das sowohl für die Betroffenen wie für Ihren Arbeitgeber eine heikle und auch unangenehme Sache. Für den Arbeitgeber, weil er hier sehr sorgfältig vorgehen muss, um nicht selber mit drin zu hängen. Macht er Fehler, zahlt er unter Umständen doppelt. Für die oder den Beschäftigten ist die Situation ebenso unangenehm – zumal bohrende Fragen im Raum stehen. Können Sie als Betriebsrat helfen?
Lohnpfändung: Ihre Mitbestimmungsrechte
Eine echte Mitbestimmung bei Lohnpfändungen gibt es nicht – auch wenn Sie als Betriebsrat vermutlich in der Praxis immer wieder mit diesem Thema konfrontiert werden. Doch es gibt ein Einfallstor. Das verbirgt sich in den §§ 84 und 85 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Demnach haben betroffene Kolleginnen und Kollegen das Recht, sich bei Ihnen zu beschweren.
Hat Ihr Arbeitgeber also eine Lohnpfändung vermeintlich nicht richtig behandelt und wendet sich ein Arbeitnehmer an Sie als Betriebsrat, können Sie wiederum an den Arbeitgeber herantreten, um die Sache zu klären. Hält dieser die Beschwerde für berechtigt (oder konnten Sie ihn davon überzeugen, dass die Sache falsch läuft), ist er verpflichtet, ihr abzuhelfen. In diesem Fall haben Beschäftigte beispielsweise Anspruch auch einen zuvor unrechtmäßig gepfändeten Lohn.
Weg über den Betriebsrat möglich – aber nicht erforderlich
Betroffene können sich hilfesuchend an Sie als Betriebsrat wenden – müssen es aber nicht. Alternativ steht ihnen der Weg über das Arbeitsgericht frei, um auf diesem Weg einbehaltenen Lohn einzuklagen. Machen Sie als Betriebsrat aber deutlich, dass ein Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber meist nicht förderlich für das Verhältnis Arbeitgeber / Arbeitnehmer(in) ist – und deshalb der Versuch einer gütlichen Klärung mit Ihrer Hilfe der bessere Weg ist.
Pfändbare Einkommensbestandteile
Der häufigste Streit dreht sich übrigens immer um die Frage nach den pfändbaren Einkommensbestandteilen. Mit der Übersicht unten sind Sie als Betriebsrat auf der sicheren Seite und können die Pfändung des Arbeitgebers überprüfen, falls ein Beschäftigter mit einer Beschwerde an Sie herantritt.
Die gesetzlichen Grundlagen der Lohnpfändung sind in den §§ 850 bis 850 h Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen folgenden Personen:
- Gläubiger (= diejenige Person, die Forderungen gegen Ihre Kollegin oder Ihren Kollegen hat und den Lohn pfänden lässt)
- Schuldner (= Ihre Kollegin / Ihr Kollege)
- Drittschuldner (= Ihr Arbeitgeber)
Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, etwaigen Gläubigern Auskunft über bestehende Gehaltsansprüche zu geben (Drittschuldnererklärung).
Lohnvorpfändung bzw. Lohnpfändung
In der sogenannten Vorpfändung teilt der Gläubiger Ihrem Arbeitgeber mit, dass eine Pfändung des Lohnes eines Beschäftigten unmittelbar bevorsteht und fordert ihn auf, den pfändbaren Teil des Gehalts des Arbeitnehmers nicht mehr an den Beschäftigten auszuzahlen und das Gehalt auch nicht an andere Gläubiger abzutreten.
- In diesem Fall muss Ihr Arbeitgeber schon jetzt die pfändbaren Bestandteile vom Gehalt Ihres Kollegen einbehalten. Der Gläubiger muss seinerseits aber binnen eines Monats den gerichtlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirken und diesem Ihrem Arbeitgeber zustellen. Anderenfalls wird die Vorpfändung wirkungslos, und Ihr Arbeitgeber kann den einbehaltenen Teil an den Arbeitnehmer auszahlen.
- Wirksam wird die Einkommenspfändung Ihres Kollegen mit der Zustellung des gerichtlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an Ihren Arbeitgeber als Drittschuldner.
- Ab diesem Zeitpunkt ist es Ihrem Arbeitgeber verboten, den gepfändeten Betrag des Gehalts an Ihren Kollegen auszuzahlen. Stattdessen ist nun der Gläubiger der berechtigte Empfänger dieses Lohnanteils.
Und so wird der pfändbare Teil des Einkommens ermittelt
Um den Pfändungsbetrag zu ermitteln, muss Ihr Arbeitgeber das pfändbare monatliche Bruttoarbeitseinkommen Ihres Kollegen berechnen. Es umfasst alle Zahlungen, die Ihr Kollege als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erhält, siehe Tabelle unten.
Danach: Berechnung des Nettoeinkommens
Aus dem pfändbaren Bruttoeinkommen wird durch Abzug von Steuern und Sozialabgaben das Nettoeinkommen ermittelt. Die gesetzlichen Abzüge, also Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge, werden vom vollen Bruttolohn vorgenommen. Die pfändungsfreien Beträge sind also immer Nettobeträge.
Dann: Ermittlung des Auszahlungsbetrags
Das ermittelte Nettoeinkommen Ihres Kollegen wird dann auf einen durch 10 Euro teilbaren Betrag abgerundet. Von dieser Summe zieht Ihr Arbeitgeber dann 1.073,88 Euro als Selbstbehalt für die oder den Betroffenen ab. Dieser Betrag erhöht sich für jede Person, der Ihr Kollege kraft Gesetzes Unterhalt zu gewähren hat und gewährt (etwa Ehegatten und Kinder). Es werden jedoch höchstens fünf unterhaltsberechtigte Personen berücksichtigt.
Praxis-Tipp
Möchten Sie Ihren Arbeitgeber hier kontrollieren, werfen Sie einen Blick auf die amtlichen Lohnpfändungstabellen. Im Internet unter: https://bit.ly/3cPVhKz