Eine Betriebsvereinbarung, die Sie mit dem Arbeitgeber geschlossen haben, gilt grundsätzlich auf ewig. Es sei denn, die Vereinbarung wird gekündigt, ist befristet, ihr Zweck ist erfüllt usw. Das heißt: In zahlreichen Betrieben gibt es noch Betriebsvereinbarungen, die schon eine halbe Ewigkeit ihre Gültigkeit haben. Dass das nicht unbedingt von Vorteil ist, durfte jetzt der Betriebsrat der Allianz erfahren. Doch der Reihe nach.
Die Geschäftsführung der Versicherung Allianz Re verlangt von ihren Angestellten Büroanwesenheit. Während der Corona-Pandemie arbeiteten bis zu 90 % der Allianz Belegschaft von zu Hause aus. Das hat sich nun geändert. Doch die neue Arbeitszeitregelung, die die Angestellten der Allianz Re zu vier sogenannten Teamtagen im Monat verpflichtet, stieß dem Betriebsrat sauer auf. Ebenso, dass ergänzend zu dieser Regelung das Wechseln ins heimische Büro von der Zustimmung der Vorgesetzten abhängig gemacht wird.
Kurzum: Der Betriebsrat sah seine Mitbestimmung unterlaufen. Er klagte auf Unterlassung – ohne Erfolg (Arbeitsgericht (ArbG) München, Beschluss vom 18.4.2023, Az: 40 BVG a 8/23).
In der Verhandlung bestätigte das Gericht die Argumentation der Geschäftsführung. Diese berief sich auf eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016. Deren grundsätzliche Regelung (Homeoffice nur nach Absprache mit dem Vorgesetzten) gilt immer noch. Damit handelte die Unternehmensführung auf Basis des damaligen Übereinkommens. Und damit rechtmäßig.
Was ist aus Sicht des Betriebsrats schiefgelaufen?
Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016 gilt ohne Wenn und Aber weiter. Damit war weder die neue Teamtage-Regelung mitbestimmungspflichtig noch die Regelung, dass Homeoffice nur in Absprache mit der oder dem Vorgesetzten möglich ist. Dem Betriebsrat bleibt, sofern er mit der neuen Regelung nicht einverstanden ist, nun nichts anderes übrig, als die sehr alte Betriebsvereinbarung zu kündigen, um mit dem Arbeitgeber eine neue Betriebsvereinbarung zu schließen. Hier aber spielt ihm eine wichtige gesetzliche Neuregelung aus dem Jahr 2021 in die Karten:
Seit 2021 haben Sie als Betriebsrat durch § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein neues Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung mobiler Arbeit. Nach der Gesetzesbegründung liegt mobile Arbeit dann vor, wenn Ihre Kolleginnen und Kollegen die geschuldete Arbeitsleistung
- unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik,
- außerhalb der Betriebsstätte,
- von einem Ort oder von Orten ihrer Wahl oder
- von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort
erbringen.
Ihr Mitspracherecht bezieht sich hierbei zwar nicht auf das „Ob“, aber grundsätzlich auf das „Wie“ der Ausgestaltung von mobiler Arbeit. Und hier enthält die alte Betriebsvereinbarung sogar eine ausgesprochen vorteilhafte Regelung, die ganz dem Trend der Zeit entspricht: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können an insgesamt 25 Tagen im Jahr auch vom Ausland aus arbeiten (sogenanntes Workation, also die Verbindung von Urlaub und Arbeit).
Meine Empfehlung
So wie sich das Arbeitsrecht und die Gesellschaft weiterentwickeln, müssen sich auch Betriebsvereinbarungen weiterentwickeln. Deshalb ist es wichtig, schon länger bestehende Betriebsvereinbarungen immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. So können Sie frühzeitig in Verhandlungen über eine entsprechende Nachfolgeregelung treten.
Am besten, Sie erstellen sich jetzt eine Übersicht der im Betrieb geltenden Vereinbarungen, und fangen an, diese von hinten (also die ältesten zuerst) durchzusehen.
- Ist die Vereinbarung noch erforderlich?
- Sind die Regelungspunkte noch praktikabel/zeitgemäß?
- Besteht (bei freiwilligen Vereinbarungen) die Möglichkeit, diese neu zu verhandeln und ist es – sofern keine Nachwirkung vereinbart wurde – besser, das Thema im Moment nicht anzurühren? Also ganz nach dem Motto: Besser eine ältere, als gar keine Vereinbarung zu diesem Thema.