Seit immer mehr Firmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Homeoffice ins Büro zurückholen, greift der Trend „Coffee Badging“ um sich. Doch arbeitsrechtlich ist dieser Trend bedenklich.
„Mehr Präsenz in der Firma“. Diese Forderung ist in vielen Unternehmen zu hören. Die Chefinnen und Chefs wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder öfter in der Firma sehen. (Achtung: Ihre Mitbestimmung ist betroffen. Neues Urteil hierzu auf Seite 8!). Die Chefinnen und Chefs versprechen sich durch das Mehr an Präsenztagen mehr Kreativität, stärkere Verbundenheit im Team und auch eine höhere Produktivität.
Der gefährliche Trend
Die Angestellten wiederum sind davon teilweise wenig begeistert – und manche versuchen, die Vorgaben zu umgehen. So ist der Trend des „Coffee Badging“ entstanden. Dahinter verbirgt sich folgendes Phänomen:
Die Kolleginnen und Kollegen, die an einer bestimmten Anzahl an Tagen im Büro sein müssen, erscheinen beim „Coffee Badging“ zwar wie vorgeschrieben vor Ort, verlassen das Büro aber bereits nach wenigen Stunden schon wieder. In erster Linie geht es darum, gegenüber der oder dem Vorgesetzten die gewünschte Präsenz gezeigt zu haben, bzw. für den Tag eingestempelt zu haben. Anders ausgedrückt:
Diese Beschäftigten weisen mit ihrer digitalen Stempelkarte (Badge) die Anwesenheit nach, trinken einen Kaffee und verschwinden wieder.
Zahlen sind exorbitant
Laut einer aktuellen Umfrage von Owl Labs, einem Anbieter von Technologielösungen für hybrides Arbeiten, gehen 38 Prozent der für die Studie Befragten so vor. Weitere 16 Prozent geben an, dass sie das gerne mal ausprobieren würden.
Die arbeitsrechtliche Seite
Die arbeitsrechtliche Seite ist vielschichtig. Wer sich einstempelt und dann das Büro wieder verlässt, ohne sich auszustempeln begeht Arbeitszeitbetrug. Auch dann, wenn jemand vom Büro gleich wieder ins Homeoffice fährt und von dort weiterarbeitet. Die Fahrzeit zwischen Betrieb und Büro ist schließlich keine Arbeitszeit.
Wer sich ausstempelt und damit riskiert, erwischt zu werden, begeht zwar keinen Arbeitszeitbetrug, verstößt aber bewusst gegen eine Arbeitsanweisung des Arbeitgebers. Verstößt also gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis.
Während im Fall 1 sogar eine außerordentliche Kündigung denkbar wäre (vor allem dann, wenn das Verhalten bereits mehrmals vorgekommen ist, sich die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter also (überspitzt formuliert) als „Serientäter“ oder „Serientäterin“ gezeigt hat, rechtfertigt Fall 2 zunächst immer nur eine Abmahnung. Aber auch hier gilt: Wiederholen sich die Fälle, dürfte spätestens nach der zweiten Abmahnung die Kündigung im Raum stehen.
Ihre Rolle als Betriebsrat
Die erste Frage lautet: Warum besteht der Arbeitgeber auf Präsenztagen? Reichen nicht auch Präsenzstunden, wenn Besprechungen oder Meetings anstehen? Die Studie von OwL Labs zeigt nämlich auch:
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen das Büro durchaus zu schätzen, wenn es um Konferenzen und den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen geht. Lediglich der traditionelle Acht-Stunden-Tag am Arbeitsplatz erscheint ihnen wenig sinnvoll, wenn es hierzu keinen Grund gibt.
Als Vorschlag können Sie ja auch in den Raum stellen, dass es bestimmte „Meeting-Tage“ gibt. Also Tage, an denen Meetings bevorzugt stattfinden sollen. So könnten mehrere Meetings an einem Tag stattfinden und dadurch die Zahl der Präsenztage verringert werden.
Rechnen Sie nicht unbedingt damit, dass Sie bei Ihrem Arbeitgeber gleich auf offene Ohren stoßen. Denn die Studie zeigt auch: Inzwischen befürworten sogar schon knapp zwei Drittel der ebenfalls befragten Chefinnen und Chefs eine vollständige Rückkehr ins Büro innerhalb der nächsten drei Jahre. Zum Vergleich: Aktuell kommen Büroangestellte im Schnitt 3,2 Tage in der Woche zur Arbeit, so eine aktuelle Umfrage des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle.
Hier sind sieben Argumente, warum eine Reduzierung der Homeoffice-Tage zu unerwünschten oder negativen Folgen für das Unternehmen führen könnte:
1. Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich an die Flexibilität und den Komfort des Homeoffice gewöhnt. Ein plötzlicher Wechsel führt zu Unzufriedenheit und letztendlich dazu, dass einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nach anderen Arbeitsmöglichkeiten umsehen, bei denen sie flexibler arbeiten können.
2. Produktivität
Gleich mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Beschäftigte im Homeoffice oft produktiver sind, weil sie weniger abgelenkt werden, weniger pendeln müssen und ihre Arbeitsumgebung individuell gestalten können.
3. Kosten
Die Rückkehr vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Büro treibt die Betriebskosten in die Höhe. Dies betrifft nicht nur die Energiekosten, sondern auch die Kosten für Büromaterial, Reinigung und Verpflegung.
4. Gesundheit und Sicherheit
Insbesondere in Zeiten von Pandemie oder Krankheitswellen kann die Konzentration einer großen Anzahl von Mitarbeitern in Büroumgebungen zu einer schnelleren Ausbreitung von Krankheiten führen. Für diesen Winter rechnen viele Gesundheitsexperten und -expertinnen genau damit!
5. Umweltauswirkungen
Die erhöhte Anzahl von Pendlern führt zu mehr Verkehr, höherem Energieverbrauch und den damit verbundenen Umweltauswirkungen. Kein gutes Aushängeschild für ein Unternehmen, das sich „Nachhaltigkeit“ auf die Fahnen geschrieben hat.
6. Talentakquise und -bindung
Ein flexibles Arbeitsmodell ist für viele potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein attraktives Angebot. Das Unternehmen könnte talentierte Bewerberinnen und Bewerber verlieren, die Wert auf Flexibilität legen.
7. Anpassungsfähigkeit
In einer sich schnell verändernden Geschäftswelt kann es für Unternehmen vorteilhaft sein, flexibel zu bleiben. Ein rigides Modell, das eine physische Anwesenheit erfordert, macht es schwieriger, sich schnell an neue Umstände oder Anforderungen anzupassen.