Arbeitsunfälle verhindern
So schützen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen wirkungsvoll
Am 9.12.2014 hat das Sozialgericht (SG) Heilbronn entschieden: Wer Weihnachtsdekoration im Supermarkt seines Schwagers abhängt, erleidet keinen Arbeitsunfall (veröffentlicht am 19.12.2014, Urteil vom 2.7.2014, Az: S 3 U 2979/13). Anders sähe das aus, wenn Beschäftigte des Supermarktes dieser Tätigkeit nachgegangen und verunglückt wären. Doch könnten Sie als Betriebsrat tatenlos zuschauen, wenn Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer Tätigkeiten nachgehen, für die sie weder geschult wurden noch dafür ausgebildet worden sind?
Letztendlich wird es sich nicht ganz verhindern lassen, dass Beschäftigte auch einmal Tätigkeiten nachgehen, die nicht unmittelbar zu ihrem Tätigkeitsfeld gehören. Aber: In diesem Fall muss Ihr Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung machen – oder die Sicherheitsfachkraft, damit die entsprechenden Tätigkeiten nicht „einfach so“, sondern mit den notwendigen Sicherheitsbewusstsein angegangen werden.
Sie bestimmen mit
Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sollen Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleistet und verbessert werden. Durch Arbeitsschutz werden nicht nur Unfälle verhindert, sondern auch arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren vermieden.
Zunächst muss festgestellt werden, wo Gefährdungen sind bzw. Sicherheitsmängel liegen. Dies kann nur durch eine Gefährdungsbeurteilung geschehen. Und Sie haben hier ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Hier ist die Verhütung von Arbeitsunfällen geregelt.
Nach dem ArbSchG ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet zu beurteilen, welchen Gefährdungen und Belastungen seine Belegschaft ausgesetzt ist und welche Arbeitsschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Er ist auch verpflichtet, die Maßnahmen des Arbeitsschutzes auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und bei Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung schriftlich zu dokumentieren.
Tipp: Die Gefährdungsbeurteilung, also eine Überprüfung und Dokumentation möglicher Gefahrenquellen, dürfen Sie überprüfen und einfordern und durchleuchten! Vor allem wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Arbeitgeber seine Pflichten hier nicht ernst nimmt, gehen Sie entsprechend in die Offensive.
Unterweisungen müssen sein
Nach der Beurteilung müssen Ihre Kolleginnen und Kollegen natürlich unterwiesen werden. Sie müssen über alle Gefährdungen am Arbeitsplatz unterrichtet werden (§ 12 ArbSchG).
Tipp: Auch diese Unterweisungen dürfen Sie kontrollieren. Weisen Sie darauf hin, dass diese vor Arbeitsaufnahme, bei wesentlichen Änderungen im Arbeitsablauf oder neuen Arbeitsmitteln sowie mindestens einmal jährlich stattfinden müssen. Das können Sie einfordern! Hält sich Ihr Arbeitgeber nicht daran, drohen Bußgelder! Ihr Arbeitgeber kann die Unterweisung an den Vorgesetzten einzelner Abteilungen oder auch an die Sicherheitsfachkräfte delegieren.
Beispiele
- Ein Dachdecker muss intensiv über die Gefahr bei Arbeiten auf dem Dach unterrichtet und in die entsprechende Sicherheitsausrüstung eingewiesen werden.
- Eine Reinigungskraft in der Klinik muss über die Infektionsgefährdung durch Nadelstichverletzungen informiert sein und wissen, was im Falle einer Verletzung zu tun ist.
- Ein Leiharbeiter im Betrieb muss informiert sein, wenn Lärmschutzmittel zu tragen sind, weil die Grenzwerte für die Gefahr einer Gehörschädigung überschritten sind.
Wann eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden muss
Viele Arbeitgeber denken, dass sie einmal eine Gefährdungsbeurteilung machen müssen und dann nie wieder. Das stimmt so aber nicht. Achten Sie deshalb als Betriebsrat darauf, dass eine Gefährdungsbeurteilung wiederholt durchgeführt wird. Nutzen Sie Ihr Initiativrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.
Anlass für eine neue Gefährdungsbeurteilung kann z.B. sein:
- neue Arbeitsverfahren
- neue Maschinen
- neue Arbeitsstoffe
- Änderung des „Standes der Technik“
- Auftreten von Unfällen oder Beinaheunfällen
Ihr Arbeitgeber ist verantwortlich
Die Verantwortung für Gefährdungsbeurteilungen liegt immer bei Ihrem Arbeitgeber. Auch dann, wenn er die Beurteilung an die Sicherheitsfachkraft delegiert hat.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Als Betriebsrat sollten Sie auf keinen Fall warten, bis Ihr Arbeitgeber in Sachen Arbeitsschutz tätig wird oder bis gar ein Unfall passiert. Lassen Sie sich darüber informieren, ob ein Arbeitsschutzkonzept besteht und ob danach vorgegangen wird sowie ob Gefährdungsbeurteilungen bereits vorgenommen werden. Fragen Sie zudem, wie eng Ihr Arbeitgeber mit dem Betriebsarzt, der Arbeitssicherheitsfachkraft und dem Arbeitsschutzausschuss zusammenarbeitet. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, wird in Sachen Arbeitsschutz genug getan.