Aktuelle BAG-Urteile
Welche Formulierung in Arbeits- und Tarifverträgen ab sofort nicht mehr gilt
Wenn Arbeitgeber das Wort „Ausschlussfristen“ hören, reiben sie sich meist die Hände. Denn „Ausschlussfrist“ im Arbeitsrecht bedeutet, dass ein Arbeitnehmer noch bestehende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (z. B. noch ausstehende Prämienzahlungen) nur innerhalb einer bestimmten Frist geltend machen kann. Verpasst er diese Frist, geht er leer aus. Zwar gelten Ausschlussfristen immer beidseitig – also auch der Arbeitgeber ist an diese Fristen gebunden, wenn er gegen den Arbeitnehmer Ansprüche geltend macht (z. B. Schadenersatz) – doch in der Regel sind es Beschäftigte, die höllisch aufpassen müssen. Da kommt die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gerade richtig! Doch der Reihe nach …
Im Arbeitsrecht gibt es zwei Arten von Ausschlussfristen: Die einstufige und die zweistufige Ausschlussfrist.
Einstufig heißt: Der Anspruch an den anderen Vertragspartner muss innerhalb einer vorgegebenen Frist geltend gemacht werden, sonst verfällt er. Lehnt die Gegenseite ab, kann sofort Klage erhoben werden.
Zweistufig heißt: Der Anspruch an den anderen Vertragspartner muss innerhalb einer vorgegebenen Frist geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenseite ab, kann nur innerhalb einer weiteren, vorgegebenen Frist Klage erhoben werden. Wird die zweite Frist versäumt, ist die Möglichkeit zur Klageerhebung verwirkt.
Um eine solche zweistufige Frist dreht sich das neueste Urteil des BAG, das gleich zwei Rechtsaspekte behandelt. Mindestlohn nämlich und Hemmung der Verjährungsfrist. Hemmung heißt: Die Frist beginnt erst später zu laufen.
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Kündigung von (Ersatz-)Mitgliedern: Wer so einen Arbeitgeber hat, hat es gut!
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Arbeitgeber, der ein Mitglied des Betriebsrats kündigen möchte – und dabei wirklich so alles falsch macht, was man nur falsch machen kann … Sie glauben, das gibt es nicht? Dann schauen Sie sich einmal diesen gerade erst veröffentlichten Fall an, der am 1.8.2017 vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) München verhandelt worden ist (Az: 7 Sa 948/16).
Im entschiedenen Fall wollte der Arbeitgeber einem Ersatzmitglied des Betriebsrats fristlos kündigen. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung nicht zu. Der Arbeitgeber zog nun vor das Arbeitsgericht, um das Zustimmmungs-Ersetzungsverfahren einzuleiten. Ein Fehler! (Warum, verrate ich Ihnen gleich!).
Über die Einleitung des Zustimmungs-Ersetzungsverfahrens verging die Zwei-Wochen-Frist, die bei fristlosen Kündigungen einzuhalten ist. Der zweite Fehler des Arbeitgebers.
Und als sei das alles noch nicht genug, machte er gleich noch einen: Er stellte das gekündigte Ersatzmitglied von der Arbeit frei. Urlaubsansprüche sollten mit der Freistellung errechnet werden …
Nun schauen Sie möglicherweise verwundert auf diese „Einleitung“ und fragen sich …
… wo stecken die Fehler? Hier die Lösung:
Fehler 1
Der Arbeitgeber wollte ein Ersatzmitglied des Betriebsrats fristlos kündigen. Nachdem der Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung verweigerte, beantragte der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht das Zustimmungs-Ersetzungsverfahren. Das aber wäre in diesem Fall gar nicht nötig gewesen. Der Arbeitgeber hatte eine wichtige Unterscheidung übersehen:
Richtig ist: Will ein Arbeitgeber einem Mitglied des Betriebsrats kündigen, geht das nur
- außerordentlich, also aus wichtigem Grund und
- nur mit Zustimmung des Betriebsrats.
Fehlt diese Zustimmung, muss Ihr Arbeitgeber das Zustimmungs-Ersetzungsverfahren beantragen. So ist es in § 103 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt.
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Aktuelle Änderungen
Längst überfällig: Der Mutterschutz in Deutschland wird modernisiert
Die Regelungen zum Mutterschaftsurlaub sind in der Europäischen Union sehr unterschiedlich. Er schwankt in Europa zwischen 14 und 28 Wochen. Im Durchschnitt beträgt er 18 Wochen. Nun sind Änderungen des deutschen Mutterschutzgesetzes (MuSchG) geplant. Wenn Sie bedenken, dass die aktuellen Regelungen aus dem Jahr 1952 datieren, wird das auch allerhöchste Zeit.
Was in Sachen Mutterschutz und Elternzeit kommt
Neuerung 1: 12-Wochenfrist geplant
Grundsätzlich beträgt die Mutterschutzfrist nach der Geburt acht Wochen. Nur bei Früh- oder Mehrlingsgeburten gilt eine längere Frist. Das soll zukünftig auch bei der Geburt eines behinderten Kindes gelten. Und zwar wird die Mutterschutzfrist in diesem Fall auf zwölf Wochen verlängert.
Neuerung 2: Arbeitnehmerähnliche Verhältnisse sind auch geschützt
Das bedeutet, dass die Schutzfristen künftig auch für Frauen in arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen gelten. Dazu zählen beispielsweise Geschäftsführerin einer Kapitalgesellschaft, Musikerinnen sowie freie Mitarbeiterinnen beim Rundfunk.
Neuerung 3: Ab 1.7.2016: Bei jeder Elternzeit eine Unterbrechungsmeldung
Die dritte Neuerung greift am schnellsten, nämlich schon ab 1.7.2016. Dabei geht es um folgendes: Ruht das Arbeitsverhältnis, erstattet Ihr Arbeitgeber eine Unterbrechungsmeldung. Das gilt bis dato nur, wenn die Unterbrechung mindestens einen Kalendermonat dauert. Ab dem 1.7.2016 entfällt diese Monatsfrist für Elternzeiten. Das bedeutet: Ihr Arbeitgeber muss ab diesem Zeitpunkt JEDE Auszeit melden.
Der Hintergrund für diese Neuerung
Ihre Kolleginnen und Kollegen können die Elternzeit auf einzelne Wochen in so genannte Mini-Elternzeiten aufteilen. Bei solchen kurzen Zeiträumen entstehen „Meldelücke“ für Elternzeiten, die weniger als einen Kalendermonat andauern. Die wiederum können zu Beitragsausfällen in der gesetzlichen Krankenversicherung führen. Durch das Streichen der Kalendermonatsfrist kann dies nicht mehr geschehen, denn es muss immer eine Unterbrechungsmeldung abgegeben werden.
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Vorsicht mit Facebook-Einträgen: Nicht alles ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt
Was darf ein Arbeitnehmer, mehr noch: ein Mitglied des Betriebsrats, in sozialen Netzwerken von sich geben, ohne seinen Job zu riskieren? Um diese Frage dreht sich ein Prozess vor dem Arbeitsgericht in Lippstadt. Dort klagt ein Betriebsratsmitglied gegen seine fristlose Kündigung. Doch in der Güteverhandlung wurde klar: Seine Klage bleibt aussichtlos.
Der Fall
Der 46-jährige Arbeitnehmer ist seit Mitte 2003 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Im November vergangenen Jahres, wenige Tage nach Beginn seiner Wiedereingliederung nach anderthalbjähriger Krankschreibung, postete er – für jedermann zugänglich – auf Facebook, dass „ab dem 13.11.2014 zurückgeschossen wird“. Und:
„Lieber stehend sterben als kniend leben.“ Der Arbeitgeber reagierte mit einer fristlosen Kündigung. Die Begründung des Arbeitgebers: Die Facebook-Einträge seien „kriegerische Androhungen“ („Wollt ihr den totalen …“) und hätten eine „nationalsozialistische Diktion“. Zudem habe der Arbeitnehmer das Unternehmen – auch noch während der Arbeitszeit – als „Irrenhaus“ bezeichnet. Der Betriebsrat selbst hatte der Kündigung zugestimmt. Ebenso das Integrationsamt, dessen Zustimmung erforderlich war, da der Arbeitnehmer schwerbehindert ist.
Klage wird ohne Erfolg bleiben
In der Güteverhandlung, die vor jedem Arbeitsgerichtsprozess steht, machte der Richter deutlich, dass er der Klage keine Aussicht auf Erfolg einräumt. Zu schwer wiegen die Einträge, die es dem Arbeitgeber unmöglich machen, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.
Meine Empfehlung
Egal ob Betriebsrat oder „nur“ Arbeitnehmer: Wer beleidigende, rassistische oder gar Hass-Posts in sozialen Netzwerken über seinen Arbeitgeber verbreitet, und dass dann auch noch „öffentlich“ (also nicht nur für einen engen Kreis von „Usern“ sichtbar), muss mit der fristlosen Kündigung rechnen. Doch die Grenze ist fließend.
So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden
Wer den Arbeitgeber in sozialen Netzwerken oder auf YouTube harsch beleidigt, kann fristlos gekündigt werden. Aber es muss in jedem Einzelfall anhand der konkreten Umstände entschieden werden. Im hier zugrunde liegenden Fall jedenfalls konnten die BAG-Richter keinen Grund für eine außerordentliche, und auch keinen Grund für eine ordentliche Kündigung entdecken (Urteil vom 5.8.2014, Az: 9 AZR 878/12).
Die Begründung: Sachliche Kritik ist einem Arbeitnehmer – und damit auch Ihnen als Betriebsrat – erlaubt. Und die im Video gemachten Äußerungen werteten die Richter als „sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten“.
Beispiel
Ein Auszubildender hatte seinen Arbeitgeber auf Facebook einen „Ausbeuter und Menschenschinder“ genannt und seine Arbeit als „dämliche Scheiße für Mindestlohn minus 20 Prozent“ bezeichnet. Hier gilt: Kündigung erlaubt! Die Häufung massiv ehrverletzender Äußerungen rechtfertigt eine fristlose Kündigung (Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm, Urteil vom 10.10.2012, Az: 3 Sa 644/12). Deshalb: Sachliche Kritik ist Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen erlaubt. Alles was darüber hinausgeht aber gehört in den privaten Kreis – nicht aber in soziale Netzwerke.
Meine Empfehlung
Nutzen Sie das neue Urteil und informieren Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Rahmen der kommenden Betriebsversammlung in Ruhe über den wichtigen Unterschied zwischen „sachlich erlaubter Kritik“ und kündigungsgefährdeter Kritik, sowie den Umgang mit sozialen Netzwerken in Bezug auf betriebliche Belange. Eine interessante Merkschrift, die Sie auch für Ihre Kolleginnen und Kollegen verwenden können
Zeitarbeitnehmer
Auf die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis kommt es an
Ein Zeitarbeitsunternehmen beschäftigte seit 2009 einen Arbeitnehmer, der seitdem ununterbrochen an die Daimler AG ausgeliehen wurde. Für das Jahr 2013 schlossen das Zeitarbeitsunternehmen und die Daimler AG einen Werkvertrag. Der Arbeitnehmer klagte. Er war der Meinung, dass nunmehr zwischen ihm und Daimler ein Arbeitsverhältnis entstanden sei – schließlich handele es sich lediglich um einen Scheinwerkvertrag.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg erkannte zwar an, dass es sich um einen Scheinwerkvertrag handelt. Ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und der Daimler AG war aber trotzdem nicht zustande gekommen, da das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) eine entsprechende Sanktion nicht vorsieht. Nur dann, wenn das entleihende Unternehmen keine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hat, entsteht zwischen entliehenem Arbeitnehmer und entleihendem Unternehmen ein Arbeitsverhältnis (Urteil vom 18.12.2014, Az: 3 Sa 33/14).
Meine Empfehlung
Eine echte Gesetzeslücke im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, die der Gesetzgeber dringend schließen muss. Bis dahin sind Sie gefordert! Und die Möglichkeit haben Sie: Bevor Ihr Arbeitgeber einen Leiharbeitnehmer in den Arbeitsprozess seines Betriebs integrieren darf, benötigt er Ihre Zustimmung (§ 14 Abs. 3 AÜG, § 99 BetrVG). Pochen Sie auf dieses Recht und verhindern Sie Dauereinsätze von Zeitarbeitern. Dies geht zulasten der Stammbelegschaft und zulasten von Festanstellungen
Arbeitgeber muss informieren!
Ihr Arbeitgeber muss Sie vor dem Arbeitseinsatz des Zeitarbeiters informieren über
- den vorgesehenen Arbeitsplatz,
- den geplanten Einstellungstermin,
- die Einsatzdauer,
- die persönlichen Daten und die Qualifikation des Zeitarbeitnehmers und
- die Auswirkung der Beschäftigung auf die Stammbelegschaft.
Zudem muss er Ihnen den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, insbesondere die Erklärung über die vorhandene Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, vorlegen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 AÜG).
Wann Sie die Zustimmung verweigern dürfen
Die Zustimmung zur Beschäftigung dürfen Sie verweigern, wenn einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründe vorliegt (beispielsweise die personelle Maßnahme verstößt gegen ein Gesetz oder einen Tarifvertrag) oder die geplante Beschäftigung den Leiharbeitnehmer ungerechtfertigt benachteiligen würde.
Beispiel: Stammbelegschaft streikt
Ein Leiharbeitnehmer soll Arbeiten erledigen, die Ihre vergleichbaren Stammmitarbeiter wegen der Schwere nicht ausüben wollen. Sie müssen hier nicht zustimmen; Ihr Arbeitgeber darf den Leiharbeitnehmer dann nicht einstellen.
Was heißt „dauerhaft“?
Im Rahmen Ihres dargestellten Mitbestimmungsrechts ist besonders die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 10.7.2013, Az: 7 ABR 91/11 wichtig. In diesem Fall wollte ein Arbeitgeber eine Zeitarbeiterin dauerhaft anstelle eines Stammarbeitnehmers arbeiten lassen. Dies, obwohl in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG in der seit dem 1.12.2011 geltenden Fassung steht, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher nur „vorübergehend“ sein darf.
Auf den § 1 AÜG berief sich auch der Betriebsrat des Arbeitgebers und verweigerte seine Zustimmung. Der dauerhafte Einsatz verstoße gegen ein Gesetz (§ 1 AÜG), die Zustimmung kann deswegen verweigert werden (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Der Arbeitgeber wollte die Zustimmung des Betriebsrats gerichtlich ersetzen lassen und scheiterte. Denn § 1 AÜG dient dem Schutz der Leiharbeitnehmer. Dauerhafte Einsätze von Leiharbeitern sollen vermieden werden, um eine Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft zu verhindern.
Fazit
Sie können daher Ihre Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese im Betrieb Ihres Arbeitgebers nicht nur vorübergehend beschäftigt werden sollen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG für das Rechtsverhältnis des einzelnen Leiharbeitnehmers zum Entleiher ergeben. Machen Sie unmissverständlich klar: Nach § 1 Abs. 1 des AÜG darf eine Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgen. Und vorübergehend ist nicht dauerhaft, sondern maximal zwei Jahre.